Mobilfunk-Risiken noch unklar 12.11.2001 19:45
Würzburg (MÖ/lby) Die zunehmende Verbreitung von Handys und ein immer dichteres
Netz von Antennen und Sendemasten bereiten Umweltmedizinern Sorge. Mobilfunk war auch das zentrale Thema einer Tagung, die am Wochenende in Würzburg stattfand.
Umweltmedizinische Tagung in Würzburg - Experte: "Auffällige Befunde"
Eine Palette an Untersuchungen mit Grafiken, Kurven, Grenz- und Vorsorgewerten,
Studien bei Mäusen, Rindern und Menschen wurde den Tagungs-Teilnehmern präsentiert. Viel weiß man indes noch nicht über die genauen Auswirkungen der
Mobilfunk-Strahlung: "Wir haben jede Menge an Daten, die schwer zu deuten sind oder
gar nicht", fasste ein Referent das "Dilemma" zusammen. Sinnvoll sei es daher, vorsichtshalber die Grenzwerte für nicht ionisierende Strahlen zu senken.
Zu dem Kongress eingeladen hatte der Deutsche Berufsverband der Umweltmediziner
gemeinsam mit dem Ökologischen Ärztebund und der Interdisziplinären Gesellschaft für Umweltmedizin.
Prof. Michael Kundi, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin in Wien, stellte
epidemiologische Untersuchungen zum Krebsrisiko (Hirntumore) durch Mobilfunk vor und berichtete von "auffälligen Befunden". Generell hätten Mobiltelefonbenutzer ein
"niedriges Risiko, ein Karzinom zu entwickeln". Kundi verwies allerdings auf die "ganz
verschiedenen Expositionsbedingungen", die kurzen Zeiträume (unter fünf Jahre) der Untersuchungen und den "komplizierten Prozess" der Krebsentstehung.
Einen schweren Stand bei den Umweltmedizinern hatte Prof. Jürgen Bernhardt,
ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesamt für Strahlenschutz, mit seinen Ausführungen. Er beharrte auf wissenschaftlich exakt dokumentierten Befunden und deren
"Reproduzierbarkeit", Es sei nicht gut, "wenn man sich einzelne Ergebnisse rauspickt". Es gebe keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über
Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Mobilfunk.
Mit den Ergebnissen der so genannten "Rinderstudie" befasste sich Dr. Christoph
Wenzel. Dabei wurde die ungewöhnliche Häufung von Missbildungen und Aborten bei Tieren in der Nähe von Mobilfunkanlagen untersucht. "Es darf keine Entwarnung
gegeben werden, was die Auswirkungen elektromagnetischer Felder betrifft", lautet das Resümee des Tierarztes.
Je höher Mobilfunkantennen am Dach montiert seien, desto geringer die Immissionen,
verdeutlichte Dr. Gerd Oberfeld. Dies gehe natürlich zu Lasten des Stadtbildes. Auch der Umweltmediziner aus Salzburg äußerte gesundheitliche Bedenken hinsichtlich des
Mobilfunks. Er nannte als Beispiele Herzrhythmusstörungen, erhöhten Blutdruck und Infektanfälligkeit. Zum Schutz der Bevölkerung sei Vorsorge "dringend notwendig".
Dass die Entscheidungsfindung aufgrund von Erfahrungswerten manchmal besser sei
als das Warten auf wissenschaftlich fundierte Erklärungen, belegt laut Oberfeld das Beispiel der Cholera-Epidemie in London von 1854. Dort wurde der Erreger erst viel
später entdeckt, nachdem man die verdächtigen öffentlichen Brunnen beizeiten geschlossen hatte.
"Man muss schon agieren, bevor man alles genau weiß", bestätigte Moderator Dr. Kurt
Müller. Beim Heuschnupfen habe man die Pollen als Auslöser der Erkrankung auch erst hundert Jahre nach dem Auftreten gefunden, die Zusammenhänge aber lange geahnt.
Um das Thema Mobilfunk ging es auch bei der Vorstellung eines neuen
"Gesprächskreises Umweltmedizin" am Montag in München. Vor allem Kinder und Jugendliche müssten vor unnötig hoher elektromagnetischer Strahlung geschützt
werden, sagte Bayerns Verbraucherschutz-Staatssekretärin Erika Görlitz (CSU). Daher sei Bayern für eine kindergerechte Kennzeichnung von Handys.
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